850 Jahre Göhren auf Rügen 

 

Entwurf Historische Entwicklung des 1165 erstmals urkundlich erwähnten Göhren auf Rügen
Die Preussenzeit 1815 -1945
Von Siegfried Schmidt, Deutsches Haus – November 2014

Das best-recherchierte Geschichtsbuch ist für mich ISBN 9783981356809 von Fritz Petrick der auch Lesungen an der Volkshochschule auf Rügen hält. Jedem geschichtlich Interessierten möchte ich seine Vorlesungen empfehlen.

1815
Am 23. Oktober 1815 folgte die Übernahme des Bergenschen Kreises in das Königreich Preussen.

1816
Einführung der Wehrpflicht auf Rügen – zum Königreich Preussen gehörend ab 1815.

1825
Einführung der Schulpflicht auf der Insel Rügen

1842
Wurde der Bergensche Kreis in „Kreis Rügen“ umbenannt.

1847 (S. 50 Petrick ISBN 9783981356809) Auf Mönchgut wurden 46 Bauern und 96 Büdner nach erneuter Vermessung der Feldmark „eigentümliche und erbliche Besitzer“ ihrer Hofstellen.

1849
Wurden vom Fürsten zu Putbus 100 bäuerliche Betriebe neu geschaffen. Den Bauern gehörten die selbst errichteten Gebäude, die Herrschaft Putbus verpachtete das erforderliche Land.

1870
Im Krieg Deutschlands gegen Frankreich versuchte die Französische Marine auf der Insel Rügen zu landen. Die Angreifer bestanden aus 7 Panzerfregatten und einem Aviso und 3 Kanonenbooten. Wegen dem Tiefgang der Schiffe konnten sie an der Insel nicht festmachen. Nach einem schweren Sturm am 13.09.1870 vor Arkona mussten sie wegen des Kriegsverlaufes nach  Frankreich zurück kehren. (S. 146 Rügens Preussenzeit 1815- 1945 ISBN 9783981356809 Petrick)

1870
Baute der Postfahrer Friedrich Wendt in der Friedrichstrasse in Göhren den Gasthof „Wendts Hotel“. Heute beworben als Pension Mönchgut, ältester Gasthof in Göhren. (S. 107 Petrick ISBN 9783981356809)

1872
Das Sturmhochwasser am 12. und 13. November mit Wasserständen von 2,64 Metern über Normal Null erfordert künftig systematische Küstenschutzmaßnahmen.

1874
Der Domänenpächter Hermann Schlieff, von 1874 bis 1901 zugleich Amtsvorsteher von Mönchgut handelte Bauern, Büdnern und Handwerkern ihr Land ab, um die Flächen bald mit Gewinn zu verkaufen.

1877
Verkaufte der Amtsrat Schlieff das Land des verstorbenen Stellmachers Friedrich Luther an den vom Festland stammenden Gastwirt Carl Brandenburg, der dies 1 Jahr später an seinen Bruder Wilhelm Brandenburg weitergab. Dieser errichtete ein 2-geschossiges „ Hotel Brandenburger Hof“.
 
Außerdem pachtete er zusammen mit 18 Büdnern, die in ihren Katen ebenfalls Badegäste unterbringen wollten, für die Monate Juni bis Oktoberm ca. 5000 qm Strand, um Badezellen für ein Herren – und ein Damenbad  aufzustellen. (S,.107 ISBN 9783981356809 Petrick)

So entstand ab

1878 Das Ostseebad Göhren auf Rügen

1880
Zählte das Ostseebad Göhren 31 Häuser und 188 Einwohner.

1883
Eröffnete Martin Looks das mit einem Aussichtsturm versehene Hotel Nord-Peerd. Im Buch „Elisabeth auf Rügen“ benannt als Hotel Looks. An dieser Stelle steht heute das Hotel Hanseatic.

1880 - 1920
Seehunde und Kegelrobben wurden an den Küsten von Mönchgut ausgerottet. Der Deutsche Seefischer-Verein zahlte 5 Mark für jede erlegte Robbe. (Prof. Knapp Seite 124 Petrick ISBN 9783981356809)

1888
Eröffnete Albert Halliger, ein Neffe von Wilhelm Brandenburg das „Ostsee – Hotel“ am Waldrand unterhalb des Plansberges. 1902 wurde das Hotel an den Gerbereibesitzer Ludwig Gädt verkauft. (S. 109 Petrick).1920 wurde das Ostsee- Hotel vom göhrener Hotelier Reinhold Zobel und der Kirchengemeinde Göhren um Pastor Medenwald gekauft und in das  örtliche Altersheim Göhren umfunktioniert. So hat die Kirchengemeinde Göhren ihre Ersparnisse über die Hyper Inflation 1923 retten können.

1890
In Göhren 63 Häuser, 2920 Gäste (S. 110 Petrick)
 
72,6 % der Landwirtschaftlichen Flächen in Betrieben über 100 Hektar auf Rügen. In Göhren 81 Häuser, 5327 Gäste (S. 110 Petrick)

Wurde das Ostseebad Göhren an die Rügensche Kleinbahn angeschlossen auf einer Spurbreite von 750 Millimetern.
 
Am Göhrener Nordstrand wurde ein Landungssteg erbaut. 93 Häuser, 6922 Gäste (S. 110 Petrick)

1901
Ab 1901 fanden die Gottestdienste in Göhren als Zweigsteller zur Kirche Middelhagen im neu erbauten Hotel Seestern der Hoteliersfamilie Zobel statt.

Landschaftsschutz wurde im Königreich Preussen erstmals durch das „Gesetz gegen die Verunstaltung landschaftlich hervorragender Gegenden“ vom 2. Juni 1902 geregelt. (Prof. Knapp, S. 127 Petrick ISBN 9783981356809)

1905
124 Häuser, 10.000 Gäste (S. 110 Petrick)

1906
Wurde der Göhrener Landungssteg am Nordstrand durch eine über 500 Meter lange Seebrücke ersetzt.

1907
69,5% der landwirtschaftlichen Flächen in Betrieben über 100 Hektar. Das Nordperd bei Göhren wird mit Feldsteinen zum Küstenschutz verbaut. (S. 123 Petrick ISBN 9783981356809 von Prof. Knapp)

Wurde am Göhrener Südstrand eine 1002 Meter lange Seebrücke erbaut, die längste Seebrücke Deutschlands mit einem Restaurationsbetrieb am Brückenkopf. Hier konnten die großen Ausflugs- und Postschiffe aus Stettin anlegen. Im 1. Weltkrieg wurde 1914 die Seebrücke vom Deutschen Staat aus Angst vor der Landung der Schiffe von Kriegsgegnern wieder abgebaut, wie die Erfahrung von 1870 mit den französischen Kriegsschiffen zeigte. Leider hat es der Deutsche Staat versäumt, für das Ostseebad Göhren die längste Seebrücke Deutschlands wieder aufzubauen.

1910
In Göhren 11.375 Gäste (S. 110 Petrick)

1911
In Göhren 15.030 Gäste (S. 110 Petrick)

1913
Stiftet die Hoteliersfamilie Zobel vom Hotel Seestern das Gelände vom göhrener Waldfriedhof. Reinhold Zobel als 2. Bürgermeister von Göhren gab seiner Schwester Frau Lagemann eine bestimmte Summe, damit die Fläche an der Alten Kirchstraße als Friedhof gewidmet werden kann. Am 5.11.1912 starb durch einen tragischen Fahrradunfall der einzige Sohn der Familie Carl Reinhold Zobel mit nur 14 Jahren. 1913 durfte sich die Hoteliersfamilie hier auf dem neuen und einzigen Friedhof von Göhren eine Gruft ausbauen. Dann erfolgte 1913 die Überführung vom Friedhof Middelhagen nach Göhren. Die Grabstelle Nr. 1 der Familie Zobel ist bis heute erhalten.

Die göhrener Feldstraße am Hotel Seestern wird umbenannt nach dem Hotelierssohn Carl Reinhold Zobel in „Carlstrasse“. In der Zeit der russischen Besatzung von 1945 bis 1994 blieb die Straße umbenannt in „Karl Marx Straße“.

1913
Zum 1.1.1913 gründete sich die erste eigenständige Kirchengemeinde Göhren auf Rügen. Das Tauf- und Abendmahlsgeschirr in Silber wurde gestiftet vom Hotelier Marie Zobel. Es enthält am unteren Rand die Gravur "M. Z. 1913".

1917
Traf Wladimir Iljitsch Lenin und Frau mit ca. 30 russischen Exilanten aus der Schweiz per Bahn in Sassnitz ein und reiste nach Trelleborg per Postschiff weiter, um bald darauf die „ruhmreiche Sowjetunion“ zu gründen.

1919
Abschaffung der Wehrpflicht auf der Insel Rügen durch die Siegermächte des 1. Weltkrieges

1920
Grub der aus Baabe stammende Hotelier Reinhold Zobel auf seinem eben erworbenen Zobelhof am Selliner See neben dem ältesten noch erhaltenen massiven Wohngebäude auf Mönchgut, Baujahr 1680, einen Tiefbrunnen. Hier wurde eine vollständige Werkstatt aus bearbeiteten Feuersteinen aufgefunden, besichtigt und wieder am selben Ort in der Nähe des Wasserschutzdeiches eingegraben.

Mit diesem Wissen aus dem Erleben meines Großvaters Reinhold Zobel, der seine Erkenntnisse meiner Mutter weiter gab, die damals mit 7 Jahren dabei stand, konnte ich den Selliner Heimatpfleger Parchow dazu sensibilisieren, beim Neubau des höheren Deiches in Baabe vor wenigen Jahren, der quer über den Zobelhof mit 300 Metern Ufergrundstück verläuft, dass bei den Vorbereitungen der Deich- Bodengründung dieHinterlassenschaften der frühzeitlichen Siedlung Baabe auf einen Zeitraum von ca. 7000 Jahren bis heute wissenschaftlich festgestellt werden konnte.

1921
Eine Polizeiverordnung vom 31.5.1921 stellte Adler, Baumfalken und Kolkraben ganzjährig unter Schutz. ( S. 126, Prof. Knapp, Petrick ISBN 9783981356809)

1929
Erbauung der Kirche zu Göhren auf dem Speckbusch durch die göhrener Baufirma Meier vom Haus Maria in der Marienstraße.  Das private Wohnhaus der Familie Meier samt Baubetrieb wurde in der Sowjetischen Bodenreform enteignet.

Die Altarfiguren, ein Fischerpaar in Mönchguter Tracht und Jesus am Kreuz wurden geschnitzt in St. Ulrich in Südtirol, dem Heimatort von Franz Lardschneider, der das Hotel „Strandeck“ in Göhren an der Strandstraße kaufte. So konnte der Kontakt zum Schnitzer hergestellt werden. Franz Lardschneider baute auf dem Plansberg in Göhren die Rodelbahn, die im Bereich des Kleinbahnhofes endet.

Den Eröffnungsprolog zur Eröffnung der Göhrener Kirche las Liselotte Zobel * 1913 in Göhren, Tochter des Hotelierspaares Reinhold und Marie Zobel vom Hotel Deutsches Haus, Göhren.

Der ursprünglich geplante Kirchenbau sollte in die Carlstraße, Ecke Elisenstraße. Durch einen guten Verhandlungspartner gelang es, den Bauplatz auf dem Speckbusch einem Berliner Eigentümer auszureden, der den Platz bald der Kirche übertrug.

Die Göhrener Kirche wurde mit 2 Türmen in Backstein erstellt. Wer Kirchenbauten genau kennt, weis, dass jeweils der Altar nach Osten ausgerichtet ist zur aufgehenden Sonne. Wegen dem eng bemessenen Bauplatz auf dem historischen Speckbusch war dies nicht möglich.

Die Göhrener Kirche wird seit dem Jahr 2000 rundum beleuchtet, gesponsert vom Göhrener Hotelier Siegfried Schmidt.

1933
Rügens Reichstags- Wahlergebnisse 1919- 1933
1924 NSDAP 8,3%
1928 „ 5,1%
1930 „ 27,9%
1932 „ 41,3%
1933 „ 54,0%
Rügener Kreistag 1933 von 25 Sitzen 13 für die NSDAP
(S. 135 Petrick ISBN 9783981356809)

1935
Wiedereinführung der Wehrpflicht

1938
Anlage eines Flugplatzes bei Gager durch die Reichsluftwaffe.

1939
Der Kreis Rügen wurde umbenannt in „Landkreis Rügen“. 61,2 % der landwirtschaftlichen Flächen in Betrieben über 100 Hektar.

1941
Die Kinderlandverschickung nach Göhren beginnt im Haus Bergfrieden. Erlebnisbericht eines damaligen Kindes nach der Wende gegenüber dem Hotelier vom Deutschen Haus, Siegfried Schmidt: „Wir hatten unseren geregelten Schulunterricht in Göhren. Immer wieder einmal gab es Luftalarm, dann wurden wir von unseren Betreuern in eine Schlucht in den Wald am Hochufer geführt und verblieben dort bis zur Entwarnung. Zum Kriegsende wurden wir nach Hause entlassen.  Ich wollte den Ort jetzt nach der Deutschen Einheit noch einmal sehen, vor allem das Haus, das mir und meinen Geschwistern aus einer westdeutschen Großstadt kommend, Sicherheit gewährte, was in unserer Stadt offenbar nicht mehr gewährt werden konnte!“

1944
Mündlicher Erlebnisbericht des göhrener Hoteliers Liselotte Schmidt, verw. Hörnlein geb. Zobel * 1913 in Göhren auf Rügen + 2012 in Bergen, erste weibliche Bürgermeisterin in Göhren 1948 - 1950

1944
Kamen etwa ab November viele Volksdeutsche aus den Ostgebieten nach Rügen, vornehmlich Frauen, Kinder und Greise. In Personenzügen mit der Kleinbahn trafen sie meistens in der Nacht ein, wurden zunächst in einem provisorischen Auffanglager, u. a. im beheizbaren Hotelsaal vom Hotel Deutsches Haus R. Zobel in Doppelstockbetten untergebracht und am nächsten Tag auf diverse Wohnhäuser in Göhren verteilt. So wurden ganze Kinderheime und Altersheime nach Göhren verbracht. Ein Kinderheim wurde im Dünenhaus an der Carlstraße untergebracht, ein Altersheim im Hotel Borgmeyer an der Poststrasse.

Viele alte Leute haben die Strapazen dieser Flucht aus ihren angestammten Wohngebieten in Ostdeutschland nicht verkraftet und sind bald in Göhren verstorben. Insgesamt 146 Beisetzungen sind in den Kirchenbüchern verzeichnet, die alle namentlich bekannt sind. Die Begräbnisstätte liegt auf dem alten Teil des Göhrener Friedhofes am Zaun zur Alten Kirchstraße. Einen Gedenkstein gibt es bis heute nicht. (aus_ ISBN 3-00-002326-7 von Siegfried Schmidt „Rügen nach der Wende“ und „Erinnerungen“ von Liselotte Schmidt geb. Zobel S. 22,23 ff.)

Die Waisenkinder aus Ostpreussen konnten bald von der heimischen Bevölkerung adoptiert werden. So u. a. Angelia B, * ca,. 1944, die von einem göhrener Inhaber einer Fischräucherei adoptiert wurde. Durch die Aktion Rose wurde sie in den Westen verschlagen, wurde Ärztin und lebt heute in Süd-Baden. Nach der Wende wollte sie sich als Ärztin in ihrem Heimatort Göhren niederlassen, bekam aber keine Zulassung. Nun ist sie jedes Jahr in Ihrem Haus an der Thiessower Straße in Göhren als Sommerfrischler anzutreffen.

Viele vertriebene Ostpreussen, Sudetendeutsche, Hinterpommern, Schlesier und andere Landsleute sind so nach Göhren auf Rügen gekommen und teils auch geblieben. Unter anderem unsere Nachbarin Lydia aus Ostpreussen, zu Hause bei der Gärtnerei Kagelmacher in der Carlstrasse, verstarb wenige Tage vor ihrem 105. Geburtstag in ihrer  Wohnung. Viele Jahre wirkte Lydia Kikillus als Kirchenfrau in Göhren.

1945
(S. 151 Petrick ISBN 9783981356809) Auf Mönchgut wurden viele der insgesamt 800 Vertriebenen untergebracht, die mit den Flugbetriebsbooten der Seefrachtschule in Lobbe eintrafen.

Die Zahl der zu Kriegsende auf Rügen vorhandenen Menschen liegt bei geschätzten 125.000 Menschen, also das Doppelte der 1939 registrierten Einwohnerzahl.

Die meisten Flüchtlinge erreichten Rügen auf dem Seeweg. Auf über 1000 Kriegs-, Handels- und Passagierschiffen, die beschlagnahmt wurden, konnten bis zum 8. Mai 1945 ca. 2.000.000 kampftüchtige und verwundete Soldaten und Zivilpersonen über die Ostsee nach Westen evakuiert werden.

Von Mitte Februar bis Mitte März 1945 wurden über 100.000 Evakuierte, darunter mehr als 25.000 Verwundete in Sassnitz ausgeschifft. Wegen dem Mangel an Lokomotiven konnten nicht alle per Eisenbahn abtransportiert werden. Viele mussten längere Zeit auf Rügen bleiben.
 

Im Hotel Deutsches Haus R. Zobel an der Carlstrasse in Göhren fanden ca. 30 Familien eine vorübergehende Notwohnung. Da der Hotelbetrieb ausschließlich auf Sommerbetrieb eingerichtet war, wurden in den einzelnen Hotelzimmern Werkstatt- oder Kaminöfen aufgestellt, das Abgasrohr durch das Fenster nach außen geleitet. Alle Familien bekamen die Möglichkeit, in der großen Hotelküche ihr Essen zu kochen. Im Sommer waren Beeren und Pilze in den Wäldern zu finden, es wurden Kartoffeln gehamstert und der letzte Schmuck gegen Reichsmark verkauft. Es setzte ein reger Betrieb nach Berlin und Richtung Westen ein.

Etwa 1992 kam eine der ehemaligen Flüchtlingsfrauen zu meiner Mutter Liselotte Schmidt verw. Hörnlein geb. Zobel ins Deutsche Haus und bat darum, sich das Hotelzimmer in der Villa Zobel noch einmal ansehen zu dürfen, in dem sie mit ihrem Sohn monatelang gewohnt hatte, bis sie zu ihren Verwandten in Westdeutschland im Rahmen der
„Familienzusammenführung“ ausreisen konnte. Die Dame war sehr verwundert, von meiner Mutter zu hören, das unser Hotel 1953 vom Deutschen Staat beschlagnahmt und besetzt wurde im Rahmen der „Aktion Rose“ und die ganze alteingesessene Familie Zobel – Hörnlein – Schmidt, wie viele andere Hoteliers und Gewerbetreibende auch, zwangsausgewiesen wurden.


Augenzeugenbericht von Horst St., Freund von Siegfried Schmidt, Göhren/Rügen

„Im März 1945 war ich mit meiner Mutter im Zug auf Rügen angekommen. Wir stammen aus dem Kreis Marienwerder in Westpreussen.

Wegen Angst vor Angriffen auf die Stadt Stralsund wurde der Zug wenige Stunden über den Rügendamm auf die Insel geschoben. Aber bald ging es weiter nach Westen.
 
Mit mir zusammen waren meine Mutter und mein Bruder in diesem Zug,der Militärfahrzeuge, Unimogs, Soldaten und viele Vertriebene nach Westen bringen sollte.

Ich kann mich erinnern, dass über Stralsund Bombenabwürfe waren, der Himmel war erleuchtet! Nach 3 Stunden wurde der Zug wieder über den Rügendamm nach Stralsund gezogen und über die Außenbezirke der Stadt ging es nach Westen, über Wismar, Lübeck, Schleswig Holstein und Flensburg nach Dänemark. Insgesamt waren wir wohl 9 Tage von Rügen aus bis nach Dänemark im Zug unterwegs, immer mit Pausen.

Wir sind etwa am 27. März in Dänemark angekommen. Die Engländer bombardierten Dänemark nicht!

Es waren ca. 38.000 deutsche Soldaten auf dem Stützpunkt im Westen von Jütland, ca. 60 Kilometer von Sylt entfernt. Ich war damals 7 Jahre alt. geb. 1938 in Westpreussen.  Mit dänischem Geld konnten wir einkaufen, hier gab es einfach alles.

An eine Begebenheit erinnere ich mich besonders, die mir bis heute in unangenehmer Erinnerung ist. Wir waren in einem Einkaufsladen in Dänemark. Ein Deutscher Soldat kam mit seiner offenbar dänischen Freundin in den Laden, sagte, seine Freundin sollte sich aussuchen was sie möchte. Ich dachte, er würde bei dem Dänischen Ladeninhaber bezahlen. Statt dessen zog er seine Dienstwaffe und bedrohte den Ladeninhaber, bis er mit seiner Freundin wieder auf der Straße war.
 
Der 8. Mai 1945 ist mir in besonderer Erinnerung geblieben. Es war ein herrlicher Morgen. Die Deutschen Soldaten zogen ihre besten Uniformen an ohne Waffen, jeder mit Fahrrad in 3er Reihe sind sie vom Stützpunkt abgefahren. Am 9. Mai 1945 gingen sie in englische Gefangenschaft.

Nach 10 Tagen wurden wir Deutschen als „Zivilinternierte“ in Dänemark gefangen. Bis 1948, dann durften wir nach Schleswig – Holstein ausreisen.

Dort waren wir von 1948 bis 1952.

1951 kam mein Vater aus russischer Gefangenschaft zurück. Wir zogen in die Nähe von Köln um in Richtung Aachen.
 
 
1945
Am 6. März 1945 fand der einzige britische Bombenangriff auf die Insel Rügen statt. Gegen 23 Uhr kamen ca. 200 viermotorige Bomber der RAF, hier- nicht die Terroristen, sondern die Royal Air Force in 2 Wellen nach  Sassnitz. Hier lagen im Hafen Lazarettschiffe, u. a. die Kronprins Olav, auf der im Januar 1945 die überlebenden Frauen und Kinder der Wilhelm Gustloff untergebracht waren. Die Wilhelm Gustloff war am 30. Januar 1945 von einem sowjetischen U- Boot mit 8800 Flüchtlingen und 1.500 Wehrmachtsangehörigen, darunter 162 Verwundeten an Bord in der Ostsee versenkt worden war. Von den insgesamt 10.300 Schiffbrüchigen konnten nur 1252 Überlebende gerettet werden. Außerdem lag hier die vom Norddeutschen Lloyd stammende „Robert Möhring als Verwundetenschiff mit 737 Verwundeten und 22 Flüchtlingen im Hafen. Dieses Schiff erhielt 2 Bombentreffer und sank so schnell, dass 353 Schwerstverwundete nicht mehr gerettet werden konnten. 10 Bombentreffer zerfetzten die Hafenmole auf mehreren hundert Metern Länge. Die Fähranlagen erlitten schwere Schäden. Die Übergangsbrücke im Hafenbahnhof wurde vollständig zerstört.

Das Bahnhofsgebäude brannte, die mit Flüchtlingen und Verwundeten überfüllten Waggons auf dem Verschiebebahnhof wurden von Sprengbomben getroffen und brannten aus. Bomben fielen auch auf mehrere Häuser in der Umgebung und auf das Bahnhofshotel.

Nach späteren Erhebungen sind in Sassnitz durch den Luftangriff 195 Wohnungen völlig zerstört worden, 336 schwer beschädigt und 400  Wohnungen leicht beschädigt worden. 126 Einwohner von Sassnitz und etwa 700 bis 800 Flüchtlinge und Soldaten kamen um.

Von den auf Reede liegenden großen Schiffen wurde der Zerstörer Z28 versenkt. 150 Marinesoldaten konnten nicht mehr gerettet werden. Z 28 hatte das Passagierschiff „Deutschland“ mit 10.000 Flüchtlingen nach Sassnitz geleitet.

Soweit bekannt, sind bei dem Luftangriff fast alle Schiffe im Hafen versenkt worden.

Beeindruckend ist der Gedenkplatz für die Opfer dieses Bombenangriffes auf dem Friedhof in der Waldmeisterstraße in Sassnitz.
 
 
In seiner Hochzeitsnacht hatte im April 1945 der Österreicher Adolf Hitler erst seine Frau Eva Braun und dann sich erschossen

Am 30. April 1945 war die Universitätsstadt Greifswald vom Kommandanten der Stadt, Oberst Rudolf Petershagen der Roten Armee kampflos übergeben worden. In der Nacht zum 1. Mai 1945 setzte sich der Gauleiter von Pommern, Oberpräsident und Reichsverteidigungskommissar Franz Schwede-Coburg mit etwa 200 Soldaten von Stralsund nach Rügen ab.

Am 2. Mai 1945 wurde vom sowjetischen Generalmajor N. G. Ljastschenko ein Brief ausgehändigt, und das Deutsche Militär zur Aufgabe aufgefordert, mit folgendem verbindlichen Versprechen:

„Der Krieg ist längst entschieden. Jedes weitere Blutvergießen ist sinnlos. Wir haben nicht die Absicht, das deutsche Volk zu vernichten. Deshalb fordere ich Sie hiermit auf, sofort die Waffen niederzulegen und die Insel kampflos zu übergeben. Das Kommando der Roten Armee sichert allen Gefangenen das Leben, gute Behandlung, Eigentum und Heimkehr nach  Kriegsende zu. Den Zivilpersonen wird Leben, gute Bezahlung und Eigentum zugesichert. Offiziere und Mannschaften dürfen die Uniformen und Auszeichnungen behalten, die Offiziere außerdem die Stichwaffen. Die Übergabe muss am 3. Mai 1945 bis um 10 Uhr erfolgen.“

Am 4. Mai 1945 um 8 Uhr wurde die Insel Rügen kampflos übergeben. (S. 154 Petrick ISBN 9783981356809)

Damit endete die Preussenzeit, gleichzeitig ging das Königreich Preussen unter.

Aus der folgenden Geschichte wissen wir nun verbindlich, das

Die Russen n i c h t W o r t gehalten haben !

Bald nach Kriegsende setzte die Verfolgung, Inhaftierung und Enteignung der Landwirtschaften ab 100 Hektar Größe offiziell ein, tatsächlich aber wurden auch viel kleinere Landwirtschaften enteignet. So in Göhren u. a. das Hotel Brandenburg von Albert Halliger, das kleine Haus Maria in der Marienstraße, der Familie Wilhelm Meier, Bauunternehmen gehörig oder das kleine 1-Familienhaus Dornrößchen in der Thießower Straße.

Ca. 15.000 Personen aus Vorpommern wurden im Sowjetischen Internierungslager Fünfeichen bei Neubrandenburg ohne Anklage und ohne Urteil inhaftiert, gequält und ermordet. So auch der Ehemann der Hoteleigentümerin vom Deutschen Haus R. Zobel in Göhren, Liselotte  Schmidt- Hörnlein geb. Zobel, Kuno Hörnlein * 1913, inhaftiert mit 32
Jahren, ermordet mit 34 Jahren im März 1948 in Fünfeichen und verscharrt in einem Massengrab wie ca. 5.500 andere Vorpommern. (ISBN 3-00-002326-7 S. 24 – 29 „Erinnerungen“ von Liselotte Schmidt
geb Zobel)

Auch nach der Deutschen Wiedervereinigung 1990 sorgte die Sowjetische Führung nicht für die Einhaltung des Versprechens des Generalmajor N. G. Ljastschenko.

Rügens Zeitgeschichte seit 1945 bis 2015